Der Herbst hatte Radolfzell schon fest im Griff. Draußen wehte kalter Wind vom See herüber, das Licht der Straßenlaternen glitzerte auf dem nassen Asphalt. Drinnen in der altbekannten Mettnauhalle war es warm, laut und vertraut – und doch: irgendwie anders. Nach Jahren kehrten wir zurück in die Halle, in der so vieles begonnen hatte. Kein Harz an den Händen, kein vertrautes Kleben des Balles – nur blankes Parkett, trockene Finger und das Gefühl, dass sich an diesem Abend etwas verändert hatte.
Vielleicht spürte man es schon beim Einlaufen. Dieses kaum merkliche Zittern in der Luft, das entsteht, wenn eine Serie zu groß geworden ist, um ewig zu halten.
547 Tage lang war der HSC Radolfzell im Ligabetrieb ungeschlagen. 78 Wochen. 787.680 Minuten. Fast anderthalb Jahre, in denen es keine Niederlage gab – nur Siege, Euphorie, Adrenalin, Herzschlagfinals und diese stille Überzeugung: Wir finden immer einen Weg.
Doch an diesem 18. Oktober war der Weg plötzlich versperrt. Die HSG Mimmenhausen/Mühlhofen kam mit Mut, Tempo und einem klaren Plan. Wir fanden schwer in die Partie, wirkten gedanklich einen Schritt zu spät. Das, was uns sonst leichtfiel, wurde mühsam. Jeder Treffer war Arbeit, jede Lücke hart erkämpft. Zur Pause stand es 11:13 – nichts, was uns sonst beunruhigt hätte, aber an diesem Abend schien alles anders.
Nach dem Wechsel bäumten wir uns auf. Unsere Torhüter hielten stark, die Abwehr stand eng, und wenn das Publikum die Mannschaft nach vorne brüllte, lag kurz dieser alte Zauber in der Luft – der Zauber einer Mannschaft, die sich nie ergibt. Doch Mimmenhausen blieb ruhig. Abgezockt. Effizient. Immer wenn wir den Funken spürten, kam die Antwort.
Und irgendwann, leise, unaufgeregt, glitt uns das Spiel davon. Als die Sirene ertönte, zeigte die Anzeigetafel 24:28. Kein Drama, kein Donner, kein großes Ende – nur Stille. Eine dieser stillen Minuten, in denen man begreift, dass etwas Großes gerade zu Ende gegangen ist.
Aber vielleicht war es genau so richtig. Denn was uns 547 Tage getragen hat, war nie bloß eine Serie. Es war Vertrauen. Arbeit. Stolz. Es waren Abende in fremden Hallen, an denen man sich gegenseitig den Rücken freihielt. Es waren Siege, die in der Abwehr begannen, in der Kabine entstanden, auf der Tribüne gewachsen sind.
Eine Serie endet, wenn sie will. Aber das, was sie bedeutet, bleibt. Und so saßen wir später in der Halle, die Tribünen fast leer, der Boden glänzte im Schein der letzten Lichter. Niemand war wütend. Niemand klagte. Nur dieses Gefühl, dass ein Kapitel zu Ende ging – und ein neues begann.
Der Herbst hat uns kurz innehalten lassen. Aber wir gehen weiter. Etwas leiser vielleicht. Etwas demütiger. Aber mit demselben Feuer.
Zum Schluss gilt unser Dank der HSG Mimmenhausen/Mühlhofen für ein durchweg faires und respektvolles Spiel – intensiv, emotional, aber immer sportlich sauber. Nach einer kurzen Pause geht es für uns weiter: Am Samstag, den 8. November, treten wir bei der zweiten Mannschaft des TV Weilstetten an – mit klarem Blick, frischem Mut und dem festen Ziel, dort wieder anzufangen, wo unsere Geschichte weitergeht.
Louis Ruf