So – da bin ich wieder. Der nächste Spielbericht der Herren I steht auf dem Plan, und wie immer stellt sich die Frage: Wo fängt man an? Vielleicht mit der Anreise – allerdings nicht unserer, sondern der der Gäste. Die dritte Mannschaft des TuS Steißlingen machte sich auf den Weg in die Unterseehalle, quer durchs Hegau, um uns ein letztes Mal in der regulären Saison gegenüberzutreten. Im Gepäck: Erinnerung an ein Hinspiel, das in vielerlei Hinsicht in die Kategorie „Saison-Highlight“ fällt.
Rückblick: Im Mindlestal entwickelte sich damals ein Duell auf Augenhöhe. Packend, eng, hochklassig – wir konnten uns nie so recht absetzen, erst in der Schlussphase gelang uns der entscheidende Wurf in Richtung Sieg. Dieses Spiel hatte sich eingebrannt – und war gleichzeitig Mahnung und Motivation für das Rückspiel.
Die Vorzeichen waren also klar: Der letzte große Härtetest, bevor es im Mai ernst wird – Aufstiegsspiele. Und wie schon im Hinspiel: Viele bekannte Gesichter auf Seiten der Gäste, sportlich fair, aber voller Ehrgeiz. Steißlingen III ist nicht einfach irgendeine Dritte – das ist Erfahrung, Cleverness und Spielfreude in geballter Form.
Und so machten wir uns bereit für diesen Härtetest. Unter der Woche lief nicht alles rund – nach einer langen Saison schlagen die Nerven manchmal Kapriolen. Es wurde auch mal etwas lauter, etwas härter, vielleicht auch emotionaler. Aber hey: Das gehört dazu. Am Ende war’s eine ordentliche Trainingswoche, die uns gut auf das vorbereitet hat, was da kommen sollte.
Der Freitag brachte wie gewohnt den Kader – ein fixer Baustein in unserem Wochenrhythmus. Und so trafen wir uns, wie immer, am frühen Samstagabend an der Unterseehalle. Bekannte Zeit, vertraute Gesichter – und trotz der anstehenden Aufgabe: überall Lächeln. Um die Köpfe freizubekommen, hielten wir an unserem kleinen Ritual fest. Ein Spaziergang durchs Radolfzeller Unterholz – ein bisschen frische Luft, ein paar lockere Gespräche, gemeinsames Einstimmen. Kein großes Tamtam, aber genau das, was’s braucht: Fokus durch Gemeinschaft.
Danach? Alles wie immer. Schnelles Umziehen, ein paar letzte Sprüche in der Kabine – und dann die gewohnt ruhige, aber bestimmte Ansprache von Coach Radon. Kein Theater, keine großen Reden, aber mit klarer Botschaft: „Nehmt das nicht auf die leichte Schulter.“ Steißlingen III bringt nicht nur Routine mit, sondern auch individuelle Klasse. Ein letztes echtes Aufbäumen also – bevor es im Mai ernst wird. Und für uns war klar: Wir geben jetzt keine Punkte mehr her. Nicht nach dieser Saison. Nicht in dieser Halle.
Motiviert und fokussiert ging’s in die Halle. Kurze Erwärmung, knackige Mobilisation – jeder in seinem Rhythmus. Dann traten die Schiedsrichter aus Konstanz aufs Feld: Udo Karwarth und Florian-Matthias Korb. Zwei alte Bekannte, die den Laden im Griff haben.
Was folgte, war der so vertraute, schrille Pfiff, der durch die Halle peitschte wie ein Startschuss auf der Laufbahn: Anpfiff. Punkt 20:00 Uhr. Das Spiel war eröffnet. Und wer brachte sich als Erstes auf die Anzeigetafel? Erst mal niemand. Denn: Stefan Maier war schneller als jeder Ball im Netz – und kassierte nach exakt 60 Sekunden die erste gelbe Karte, nachdem er unserem Angriff etwas zu resolut entgegentrat. Willkommen im Spiel. Nur wenige Augenblicke später wusste Fynn Osann dann aber, was zu tun ist – mit der gewohnten Mischung aus Wucht und Fingerspitzengefühl versenkte er den Ball zum ersten Mal an diesem Abend im Netz. 1:0.
Was darauf folgte? Ein intensiver, offener Schlagabtausch. In der ersten Viertelstunde begegneten sich beide Teams auf Augenhöhe. Unsere Treffer? Wurden prompt beantwortet. Die Angriffe der Gäste? Kreativ, schnörkellos, gefährlich. Wir ließen einige gute Chancen liegen – doch Steißlingen konnte diese Nachlässigkeiten nicht konsequent bestrafen. Es blieb also zunächst ein Spiel auf Messers Schneide.
In dieser Anfangsphase waren es vor allem die Gebrüder Osann, die gemeinsam mit Martin Denecke für Druck sorgten. Schnelle Bewegungen, klare Abschlüsse – genau das, was es brauchte, um gegen die erfahrene Defensive der Gäste Nadelstiche zu setzen.
Beim Stand von 9:7 griff Gästetrainer Philipp Schirmer zur grünen Karte. Timeout Steißlingen. Ein Zeichen: Die Gäste wollten unseren kleinen Lauf brechen, neue Impulse setzen. Auf unserer Seite? Business as usual. Die Ansage war klar und bekannt: Im Angriff effizienter werden – und hinten noch geschlossener, noch kompakter stehen. Genau das hatten wir in dieser Saison schon oft geschafft. Jetzt galt es, auch diesen Abend in diese Bahn zu lenken.
Jetzt natürlich die alles entscheidende Frage: Konnten wir die Vorgaben von Coach Radon umsetzen? Kurz gesagt: Ja. Und wie. Die Abwehr formierte sich deutlich geschlossener, arbeitete klüger im Verbund – und sorgte damit auch dafür, dass Paul Denecke im Tor immer besser ins Spiel fand. Die Würfe der Gäste wurden seltener wirklich gefährlich – und wenn sie doch durchkamen, war da ja noch Paul. Mit schnellen Reflexen, kühlem Kopf und sicherer Hand vereitelte er einen Abschluss nach dem anderen. Steißlingen rieb sich auf und scheiterte zunehmend. Und dann kam Nico’s Time-to-Shine:
In einer Phase, in der sich das Spiel zu unseren Gunsten zu kippen begann, explodierte Nico Grether förmlich. Innerhalb von 88 Sekunden netzte er drei Mal – lupenreiner Hattrick, eiskalt, kompromisslos. Jeder Wurf ein Strich, jeder Abschluss ein Statement. Mit einer Kühnheit, wie man sie nur selten sieht – oder wie man in Radolfzell, Konstanz oder auch bei mir zu Hause in Böhringen sagt: ganz großes Handballkino.
Diese Phase war der Wendepunkt. Die Halle war da, das Team on fire – und der TuS musste sich gehörig strecken, um nicht den Anschluss zu verlieren. Doch die Gäste aus Steißlingen wirkten in dieser ersten Halbzeit angeschlagen, wenn nicht sogar leicht angezählt.
In der 20. Minute zeigte die Anzeigetafel ein 14:9, vier Minuten später bereits ein 17:11. Der Druck stieg, der Rhythmus kippte – und wenn die Gäste nochmal den Fuß in die Tür kriegen wollten, dann jetzt. Doch wir blieben konsequent. Moritz Knura, Martin Denecke und Yannik Franz trafen weiter für den HSC. Auf der anderen Seite stemmten sich Johannes Frank sowie – wie so oft an diesem Abend – Timo Ströhle und Stefan Maier dagegen. Doch der letzte Punch fehlte. Dann ertönte, was ertönen musste: Halbzeitpfiff. 20:14 – klare Führung, klare Richtung. Eine Halbzeit, auf der sich aufbauen ließ.
Und wie auch in den letzten Spielen, kann ich euch leider nicht berichten, was in der Kabine besprochen wurde. Nicht, weil’s streng geheim wäre – sondern weil ich wieder mal mit Aufwärmen beschäftigt war. Aber wenn ich raten müsste: Coach Radon wird das Gesehene mit Argusaugen analysiert haben. Die Chancenverwertung? Ausbaufähig. Die Abwehrarbeit? Besser, aber noch zu oft überlaufen. Und ganz sicher gab’s auch die obligatorische Mahnung: Nicht nachlassen. Keine Einladung zurück ins Spiel aussprechen.
Was darauf folgte? Eine Phase, die uns fast aus dem Spiel kippte. Fynn eröffnete die zweite Halbzeit wie aus dem Lehrbuch – schneller Treffer, 21:14, alles schien in der Spur. Doch dann: Stillstand. Fast neun Minuten lang kam von uns kein Tor mehr. Keine Durchschlagskraft, kein Abschlussglück – und plötzlich war alles, was uns zuvor getragen hatte, wie weggeblasen.
Dabei lag’s nicht nur an eigenen Fehlern. Die Steißlinger Torhüter Bergmann und Maier spielten sich in einen kleinen Rausch. Was eben noch wie ein sicherer Treffer aussah, wurde zur Parade. Sie waren in der Luft, auf dem Boden, dazwischen – und immer irgendwie da. In dieser Phase machten sie den Unterschied. Unser Vorsprung schrumpfte. Von 21:14 auf 21:20. Ein Spiel, das wir eigentlich kontrollierten, wurde plötzlich wieder eng. Zu eng.
Und ich? Auch kein Glanztag in dieser Phase. Wenig Zugriff, wenig Präsenz. Man merkt erst im Rückblick, wie schnell so ein Spiel einem durch die Finger gleiten kann – selbst, wenn man glaubt, es fest im Griff zu haben. Ein Moment der Unsicherheit. Ein Wachrüttler. Und ganz sicher: Ein Warnsignal für alles, was noch kommt.
Aber vielleicht – ganz vielleicht hatten wir genau das gebraucht: diesen Schockmoment. Die Konfrontation mit dem, was wir eigentlich vermeiden wollten. Plötzlich stand sie da, diese drohende Niederlage – und wir wussten: Jetzt oder nie. Und wir fingen uns. Stück für Stück. Auch ich bekam endlich wieder die Finger an den Ball und konnte einige wichtige Würfe entschärfen. Die Abwehr stand wieder stabiler, die Körpersprache war eine andere. Und vorne? Da war plötzlich wieder Zug drin.
In weniger als drei Minuten erspielten wir uns einen neuen Vorsprung. Erst war es Moritz Knura, der kompromisslos abschloss, dann Sebastian Hecht, der den Ball zum 24:20 im Netz unterbrachte. Die Halle war wieder laut, wir wieder im Flow. Bis zur 51. Minute waren es dann vor allem die Gebrüder Osann, unterstützt von unseren beiden Kreisläufern Florian Schulze und Mathis Rau, die für klare Verhältnisse sorgten. Der alte 7-Tore-Vorsprung war zurück. Souverän, mannschaftlich geschlossen, mit der richtigen Antwort auf eine zu wackelige Phase.
Das war’s dann im Grunde für diesen Abend. Eine höhere Führung? War nicht mehr drin – oder vielleicht auch einfach nicht mehr nötig. Die Partie plätscherte Richtung Schlusspfiff. Kein echtes Aufbäumen mehr von Steißlingen, kein letzter Tempolauf unsererseits. Die Spannung wich der Gewissheit: Der Sieg ist sicher.
Was aber blieb, war noch ein besonderer Moment. Gegen Ende feierte unser Jüngster, Niclas Totzke, sein kleines persönliches Highlight. Zweimal netzte er von Rechtsaußen ein – sauber, souverän, ohne Nerven – und belohnte sich selbst für die hohe Trainingsbereitschaft und seinen Einsatz in den vergangenen Wochen. Ein schöner Abschluss eines Spiels, das uns vieles abverlangte – aber auch zeigte, was wir können, wenn’s darauf ankommt.
Um 21:21 Uhr war es dann amtlich. Abpfiff. Endstand: 34:27. Sicherlich nicht das Spiel, das wir uns im Vorfeld ausgemalt hatten – zu durchwachsen, zu viele Schwankungen. Aber: Ein Ergebnis, das die Leistungen beider Mannschaften treffend widerspiegelt. Steißlingen III präsentierte sich wie schon im Hinspiel als zäher, cleverer Gegner. Sie hielten lange mit, kamen nach deutlichem Rückstand eindrucksvoll zurück und mussten sich am Ende nicht kampflos, aber eben geschlagen geben. Und wir? Wir haben uns selbst ein Bein gestellt. Durch zu viele vergebene Chancen, eine zu lange Schwächephase und mangelnde Konsequenz im letzten Drittel verhinderten wir einen möglichen höheren Sieg. Aber: Wir haben uns rausgezogen. Wir haben gewonnen. Und wir bleiben verlustpunktfrei.
Wir bedanken uns bei unseren Gästen aus Steißlingen für ein faires Spiel und wünschen für den Rest der Saison noch viel Erfolg. Doch bevor es in die entscheidende letzte Saisonphase geht, steht noch ein letzter Auftritt im eigenen Wohnzimmer an. Am Samstag, den 26. April, um 20:00 Uhr, empfangen wir die HSG Konstanz IV in der Unterseesporthalle. Letztes Heimspiel der regulären Saison. Letzter Tanz daheim. Ein Abend, der nochmal alles vereinen soll, was diese Saison für uns ausgemacht hat: Leidenschaft, Tempo, Teamgeist – und euch, unsere Fans.
Kommt vorbei, bringt Stimmung mit – und feiert mit uns einen würdigen Abschluss, bevor im Mai die Stunde der Wahrheit schlägt.
Louis Ruf