Derby im Mindlestal – Radolfzell trotzt dem Druck und siegt verdient!


Da bin ich wieder – zurück an den Tasten. Schon aus dem Urlaub heraus habe ich gespannt auf den Ligabetrieb geschaut. Endlich wieder Landesliga. Mit großer Freude, aber auch mit einem Hauch von Wehmut habe ich das Auftaktspiel in Fridingen verfolgt. Zu sehen, wie die Jungs dort den ersten Sieg einfuhren, war pure Freude und gleichzeitig dieses vertraute Ziehen im Bauch: die Sehnsucht nach der Halle, nach dem Ball, nach dem Kribbeln vor dem Spiel.

Zurück in Deutschland, zurück im Alltag und keine 48 Stunden später auch schon wieder im Training. Freitagabend, Riesenberghalle in Kaltbrunn. Draußen war’s kühl, Nebel zog über die Felder, drinnen Harzgeruch, gedämpftes Licht, das dumpfe Echo der Bälle. Kein Wort zu viel, kein Lächeln zu wenig. Die Stimmung war konzentriert, ernst, aber ruhig. Wie die Ruhe vor dem Sturm. Man spürte: Das hier wird kein normales Wochenende.

Samstagabend, halb sieben. Wir machten uns auf den Weg nach Steißlingen. Die Sonne verschwand hinter den Hügeln, das Licht wurde weicher, fast golden. Im Auto war es still, nur das Surren der Reifen begleitete uns. Im Mindlestal angekommen, flackerte die Anzeigetafel im Halbdunkel, gedämpftes Licht fiel in die Halle. Die Ränge füllten sich langsam, die Stimmen wurden lauter, die Spannung greifbarer. Jeder wusste: Das wird ein besonderer Abend.

Der TuS war nach einem durchwachsenen Start unter Druck. Ein bitteres Unentschieden im Derby gegen Allensbach, eine deutliche Niederlage in Schwenningen – zwei Spiele, die sie vergessen machen wollten. Und sie kamen raus, als hinge alles davon ab. Mit Tempo, mit Wucht, mit purer Energie. Nach einer Viertelstunde stand es 9:6, kurz darauf minus fünf für uns. Die Halle tobte, Steißlingen im Flow und wir mittendrin, aber noch nicht angekommen.

Doch dann, inmitten von Lärm und Hektik, kam das, was eine gute Mannschaft ausmacht: Ruhe. Kein wildes Gestikulieren, kein Chaos. Nur dieses stille Einverständnis, dass man das zusammen wieder geradebiegt. Jörg Renner hielt uns mit wichtigen Paraden im Spiel, Ole und Fynn Osann übernahmen Verantwortung, kämpften, trafen, führten.

In der 23. Minute dann der Einschnitt: Steffen Maier ging einen Schritt zu weit, kein böses Foul, aber unglücklich im Timing. Rot. Vertretbar, aber bitter. Für uns war es das Signal. Plötzlich griffen die Abläufe, die Abwehr stand, die Kommunikation stimmte, und wir kamen Tor um Tor heran. Kurz vor der Pause glich Fynn Osann zum 17:17 aus und der Jubel auf der Bank war ohrenbetäubend.

Dann: Halbzeit. Ich war zwar nicht dabei, aber ich kann’s mir vorstellen: Felix Radon wird in seiner ruhigen, klaren Art genau die richtigen Worte gefunden haben – nichts Lautes, nichts Großes, einfach das, was in diesem Moment zählte. Etwas in die Richtung von: „Jungs, ihr habt euch das zurückgeholt. Jetzt bleibt ruhig, bleibt geduldig – und vertraut auf das, was ihr könnt.“ Keine langen Reden, keine Phrasen – einfach der richtige Ton im richtigen Moment. Und jeder wusste, was zu tun war.

Nach dem Seitenwechsel wechselten wir im Tor – ich stand nun wieder zwischen den Pfosten. Und von der ersten Sekunde an war klar: Das Momentum gehört uns. Die Abwehr stand kompakt, das Zusammenspiel passte, Steißlingen fand kaum noch Lösungen. Zwei parierte Siebenmeter gaben zusätzlich Rückenwind, und auf einmal war der Glaube da. Spürbar.

Fynn Osann dirigierte, Ole Osann verwandelte sicher (zehn Treffer, sechs vom Punkt), Emil Franz und Tim Dzialoszynski setzten Akzente – und dann kam der Mann, der dem Spiel sein Gesicht gab: Maxime Weh. Kampfstark, mutig, kompromisslos. Einer, der Bälle holt, die eigentlich verloren scheinen. Der sich in jeden Zweikampf wirft, der sich in jede Lücke schiebt. Und als er in der Schlussphase erst aus spitzem Winkel traf und wenig später zum Tempogegenstoß ansetzte und zum entscheidenden 33:29 verwandelte, da war klar: Dieser Abend gehört auch ihm. Ein Neuzugang, der gekommen ist, um Spuren zu hinterlassen – und der an diesem Abend bewiesen hat, dass Einsatz und Leidenschaft keine Eingewöhnungszeit brauchen.

Steißlingen versuchte noch einmal alles, doch wir hatten das Spiel unter Kontrolle. Jeder Block, jeder Abpraller, jeder Treffer wurde gefeiert – nicht mit Arroganz, sondern mit purer Erleichterung. Und als der Schlusspfiff ertönte, fiel sie endgültig von uns ab: die Anspannung, der Druck, die Hitze des Derbys. 33:30. Auswärtssieg. Derbyerfolg. Der zweite Sieg im zweiten Spiel. Und einer, der sich wie ein Statement anfühlte.

„Solche Spiele vergisst man nicht. Weil sie zeigen, wer wir sind – laut, leidenschaftlich, unerschütterlich. Wir sind wieder da. Und das war erst der Anfang.“ – Yannik Franz, verletzt, aber emotional mittendrin.

Wir bedanken uns beim TuS Steißlingen für ein faires, intensives Derby und bei unseren mitgereisten Fans für die lautstarke Unterstützung – ihr wart spürbar Teil dieses Sieges.

Und jetzt, Freunde, steht das nächste Kapitel an: Am kommenden Samstag steigt das erste Landesliga-Heimspiel, und das ausgerechnet in unserer neuen alten Heimat, der Mettnauhalle. Zur Primetime um 20 Uhr empfangen wir die HSG Mimmenhausen/Mühlhofen – und damit kommt es gleich zum Gipfeltreffen der Liga. Gewinnen wir, springen wir an die Spitze. Gewinnt Mimmenhausen, bleiben sie Tabellenführer. Alles ist angerichtet: Samstagabend, Primetime, Mettnau, Emotionen. Radolfzell gegen Mimmenhausen: Das Spiel um die Tabellenführung.

Louis Ruf