Drei rote Karten und ein Herzschlagfinale – HSC siegt in Steißlingen!


Wo fängt man da überhaupt an? Vielleicht rollen wir die Geschichte von hinten auf. Steißlingen – ein Name, der bei uns allen etwas auslöst. Ein Verein, mit dem wir schon so oft konfrontiert wurden, dass man fast von einer Schicksalsgemeinschaft sprechen könnte. In der Vorbereitung spielten wir bereits gegen die 2. Mannschaft, dann folgte ein Testspiel gegen die 1. Mannschaft – und nun, mit dem Ligaspiel am Sonntag gegen die 3. Mannschaft, haben wir endgültig gegen jede aktive Herrenmannschaft des TuS Steißlingen gespielt. Mehr “Steißlingen” geht kaum. Doch der Name Steißlingen hat für uns noch eine andere Bedeutung – eine persönlichere. Er steht für die Wechsel, die uns als Mannschaft geformt haben. Spieler, die einst das HSC-Trikot trugen, suchten in Steißlingen neue Herausforderungen. Verständlich? Absolut. Schmerzhaft? Ohne Frage. Doch manchmal schreibt der Sport die besten Geschichten – die der Rückkehrer. Alle, die gegangen sind, fanden irgendwann ihren Weg zurück. Nach einem, zwei oder, wie in meinem Fall, nach drei Jahren. Und wenn man einmal wieder das HSC-Wappen auf der Brust trägt, weiß man: Man war eigentlich nie wirklich weg.
Aber zurück zum Hier und Jetzt. Trotz der Rückkehrer musste Trainer Felix Radon erneut improvisieren. Krankheitsbedingte Ausfälle sorgten für Lücken im Kader, und dann kam die Nachricht, die uns alle erschütterte: Martin Denecke verletzt! Es war eine dieser Meldungen, die man in der Teamgruppe liest und zuerst denkt: “Das darf doch jetzt nicht wahr sein…” Denn Martin ist mehr als nur ein Spieler – er ist der Typ, der auf dem Feld alles gibt. Kein Ball ist ihm zu weit, kein Gegner zu groß, kein Zweikampf zu hart. Wenn es einen Spieler gibt, den man zu 100 % im Team haben möchte, dann ihn. Martin Denecke – das ist mehr als ein Name, das ist eine Kampfansage. “Heroisch” beschreibt kaum, was er in den letzten Spielen abgeliefert hat. Vor allem in Pfullendorf – trotz einer Verletzung noch 40 Minuten unerbittlich gekämpft. Man könnte sagen, er spielte wie David gegen Goliath aber das wäre untertrieben. David hatte immerhin eine Steinschleuder. Martin hatte nur seinen unerschütterlichen Willen, seine Beine und seine mentale Stärke. Nein, Martin war eher wie ein Phönix, der immer wieder aus der Asche aufersteht, auch wenn es noch so brenzlig wird. Und dann das: eine Verletzung, die ihn zur Pause zwingt. Zum Glück nur für kurze Zeit, aber in dieser Phase der Saison fühlt sich jede Pause wie eine Ewigkeit an. Übertreibe und vor allem überdramatisiere ich? Natürlich – aber Dramatik gehört eben zum Sport! Eigentlich will ich nur sagen: Gute Besserung, Martin!
Und jetzt zum Wichtigsten! Dem eigentlichen Spiel in Steißlingen. Sicherlich hatte die Mindlestalhalle schon hitzigere Duelle gesehen als das Aufeinandertreffen unserer 1. Mannschaft des HSC gegen die 3. Mannschaft des TuS. Aber lasst euch gesagt sein: Auch dieses Duell hatte seine ganz eigene Brisanz. Nach einer kurzen Phase der Mobilisation und Erwärmung bat das Schiedsrichtergespann Frasch/Himmelsbach – untypischerweise mit sieben Minuten Verspätung – zum Anpfiff. Es war Yannik Franz, der uns nach gut zwei Minuten das erste Mal auf die Anzeigetafel beförderte. Im weiteren Verlauf des Spiels entwickelte sich eine offene Partie. Zwar konnten wir uns bis zur 9. Minute durch einen weiteren Treffer von Yannik auf 5:8 absetzen, doch das war dann auch das letzte Mal, dass wir uns eine nennenswerte Führung erspiele konnten. Was darauf folgte, werden erfahrene Leser ahnen. Das Spiel begann zu kippen. Nicht nur leicht, aus unserer Sicht sogar gewaltig … viel Nennenswertes gibt es aus dieser Phase eigentlich gar nicht zu erzählen. Ähnliches Bild wie in den letzten Spielen. Die Osann-Brüder gestalteten das Spiel, erzielten Tore und legten auch oft gut auf. Vor allem auf Yannik und Nico auf den Außenpositionen. Aber eine Sache darf einfach nicht unter den Teppich gekehrt werden – in vielen Situation agiert die junge Mannschaft leider einfach kopflos und nicht abgezockt genug. Im Angriff wurden Bälle weggeschmissen und die Wurfquote blieb unterdurchschnittlich. Verbunden mit einer Abwehr, die oft nicht als Team agierte und fast jede 1-gegen-1-Situation verlor, entstanden Lücken, die die Steißlinger eiskalt ausnutzten. Dies führte zu einem zwischenzeitlichen Rückstand von 11:10 in der 17. Minute. In der Folge entwickelte sich ein ständiges Hin und Her – auf ein Tor von Radolfzell folgte direkt eines von Steißlingen und umgekehrt. So war es wenig überraschend, dass wir mit einem 2-Tore-Rückstand und einem Spielstand von 20:18 in die Halbzeitpause gingen.
Hinsetzen in der Kabine. Durchatmen. Es fühlte sich schlecht an. Mein einziger Gedanke war, dass wir dieses Spiel hier und heute auf keinen Fall verlieren dürfen. In den Köpfen der anderen sah es mit Sicherheit nicht anders aus. Die Stille wurde plötzlich von der Halbzeitansprache von Trainer Radon durchbrochen. Fragend, was wir da eigentlich auf dem Feld machen, kam niemand mit einer Antwort heraus. Radon legte nach: „Verlieren ist ok – aber nicht so. Wir verkaufen uns hier unter Marktwert!“ (so oder so ähnlich). Uns wurde ordentlich in den Hintern getreten und noch einmal ins Gedächtnis gerufen, worum es in dieser Saison geht. Diese Saison, die schon so viele schöne Geschichten geschrieben hat. Es geht dieses Jahr nicht ums Verlieren. Die Siege zählen! Ich dachte mir nur: „Unglaublich, er hat mal wieder die richtigen Worte gefunden“ und musste kurz schmunzeln.
Gewappnet für die zweite Halbzeit, tappten wir die Treppen hinunter zum Spielfeld. Liebe Leser, macht euch bereit, denn die zweite Halbzeit hatte es in sich – und das nicht zu knapp. Aber beginnen wir mit den guten Nachrichten: Durch Tore von Mathis Rau, Yannik Franz und Fynn Osann gelang es uns bereits in der 33. Spielminute, den Vorsprung von Steißlingen zu egalisieren und auf 21:21 zu stellen. Und als ob das nicht genug gewesen wäre, setzte Yannik in der 34. Minute noch einen drauf und brachte uns mit 21:22 in Führung. Das Momentum schien auf unserer Seite – zumindest für einen kurzen Augenblick.
Doch dann wurde es hitzig. Richtig hitzig. Plötzlich war das Spiel geprägt von Zeitstrafen und – ja, tatsächlich – drei (!) roten Karten innerhalb von 8 ½ Minuten. Den Anfang machte der bis dahin beste Torschütze der Steißlinger, Julian Kalweit. Noch in der 40. Minute verwandelte er sicher vom 7-Meter-Strich und brachte seine Mannschaft mit 25:24 in Führung. Doch nur zwei Minuten später wendete sich das Blatt. Nach seiner dritten 2-Minuten-Strafe ging es für ihn nicht zurück auf die Bank, sondern direkt raus – rote Karte! Ein herber Schlag für Steißlingen, aber wir nahmen das natürlich dankend an. Und ganz ehrlich: Mir war’s recht – ich habe sowieso nie wirklich durchschaut, wie er seine Würfe ansetzt. Doch das war erst der Anfang. Genau 280 Sekunden später – die erste Rote Karte war gerade verdaut – knallte es schon wieder. Glatt rot! Diesmal traf es Jannik Schröder von Steißlingen. Was war passiert? Irgendwas mit einem Griff zum Hals – ich habe es selbst nicht genau gesehen. Aber das Ergebnis war klar: Auch er musste das Feld verlassen. Und als ob das noch nicht genug Dramatik wäre, folgte in der 51. Spielminute der nächste Hammer. Wieder Rote Karte – diesmal für Louis Bauer. Dritte 2-Minuten-Strafe, also ab auf die Tribüne. Drei rote Karten in 8 ½ Minuten – verrückt, oder? Es war, als hätte jemand den “Selbstzerstörungsmodus” bei Steißlingen aktiviert. Zuschauer rieben sich die Augen, wir auf der Bank konnten es auch nicht fassen. Klar, für uns war das alles andere als schlecht, aber das Spiel wurde dadurch immer unberechenbarer. So viele Zeitstrafen, so viel Unterbrechung – da war es fast unmöglich, den Rhythmus zu halten.
Was in der Folge geschah? Trotz des dezimierten Kaders auf Seiten des TuS blieb das Spiel weiterhin spannend – fast schon zu spannend. Ich musste zweimal hinsehen, als ich in der 54. Minute auf die Anzeigetafel schaute: 29:28 für Steißlingen! Und wer war der Übeltäter? Stefan „Hugo“ Maier, der uns mit seinem Treffer erneut in Rückstand versetzte. Ein typischer Moment, in dem man am liebsten fluchen würde. Oder, um es mit den Worten unserer Freunde aus Pfullendorf zu sagen: „Algengrütze!“
Doch wir ließen uns nicht beirren. Das Spiel ging weiter – und wie es weiterging! Durch eine geschlossene Mannschaftsleistung und Tore von Linus Vögele, Sebastian Hecht und Fynn Osann konnten wir das Blatt wenden und in der 59. Minute mit 30:31 in Führung gehen. Spannung pur – und dann passierte das, was man in solchen Momenten einfach nicht erleben will: Timeout. 36 Sekunden vor Schluss zückte Heimtrainer Timo Ströhle die Grüne Karte. Clever? Ja. Nervig? Noch mehr. Jeder wusste, dass diese letzten Sekunden ein Krimi werden würden.
Coach Felix Radon blieb ruhig – zumindest nach außen hin. Sein Rat an uns war simpel, aber Goldwert: „Selbst wenn wir ein Tor kassieren, bleibt genug Zeit, um wieder in Führung zu gehen.“ Ein Satz, der hängen blieb. Und dann war es soweit: Freiwurf für Steißlingen. Noch 1 Pass erlaubt. Diese Momente hasse ich. Die Gedanken kreisen. Gehe ich ins lange Eck? Oder doch ins kurze? Ich entscheide mich fürs lange Eck. Pass kommt. Drei große Schritte von Johannes Frank, er steigt hoch, und ich denke mir: “Bitte nicht, bitte nicht…” Doch dann: Er wirft – ins lange Eck! Genau da, wo ich hingegangen bin. Glück gehabt!
Ich schnappe mir den Ball irgendwo in meinem 6-Meter-Kreis, schau mich kurz um, und spiele ihn zu Fynn Osann. Was jetzt folgt, fühlt sich an wie eine Ewigkeit, aber es sind nur Sekunden. Langsamer Aufbau. Ruhig bleiben. Kein Risiko. Der Ball wandert zu Ole, und Ole macht das, was man in solchen Momenten machen muss: Er wirft – und trifft. Tor. 30:32. Das war er, der berühmte letzte Sargnagel. Noch 10 Sekunden auf der Uhr. Jeder auf dem Feld wusste es, jeder auf der Tribüne wusste es: „Das muss jetzt reichen!“ Und es reichte. Abpfiff. Sieg. Erleichterung. Aufatmen. Drei Worte, die nach so einem Spiel mehr bedeuten, als man mit Worten ausdrücken kann. Zwei Punkte im Gepäck – und eine Geschichte, die wir so schnell nicht vergessen werden.
Wir bedanken uns für ein faires Spiel und Eure Gastfreundschaft – trotz der hitzigen Momente blieb es sportlich. Dafür ein großes Dankeschön an den TuS Steißlingen. Wir wünschen Euch weiterhin viel Erfolg in der laufenden Runde.

Louis Ruf