Wenn der Magen voll ist und der Kampfgeist wächst: Ein Wochenende der Extraklasse


Wo fängt man nach so einem Wochenende eigentlich an? Am wichtigsten bleibt für diesen Bericht bestimmt das Heimspiel gegen Überlingen, doch die Geschichte unseres Wochenendes beginnt bereits am Freitag – mit einem Spareribs-Abend im Anglersportverein in Radolfzell. Nach einer amüsanten Wichtelrunde mit äußerst kreativen Geschenken – darunter ein Meistershirt der D-Jugend aus der Saison 2013/14, ein heiß begehrter Flaschenöffner, ein Fass Kölsch, ein Schnaps-Pongspiel und ein Toilettenkalender mit inspirierenden Tierbildern – wurden uns bereits die ersten Spareribs serviert. Wir wussten natürlich, dass die Taktik der Restaurantbetreiber, uns mit Brot, Knoblauch- und Cocktailsauce sowie der Verlockung der Salatbar abzulenken, eine hinterlistige Strategie war. Doch als ambitionierte Hochleistungsesser ließen wir uns davon wenig beeindrucken.
Im Laufe des Abends leerten wir wohl mehr als ein Dutzend Brotkörbe und ließen auch die Salatbar nicht unberührt. Der eigentliche Rekord des Abends gehört jedoch meinem geschätzten Torhüterkollegen und nach diesem Abend wohl auch größten “Schwein” im Team, Paul Denecke. Er schaffte es tatsächlich, 43 Stück dieser Prachtrippen zu verzehren – eine Marke, die selbst bei den sonst so essfreudigen Teamkollegen Ehrfurcht auslöste. Fairerweise muss erwähnt werden, dass der durchschnittliche Rippchenverbrauch pro Person bei rund 30 Stück lag, was zeigt, dass wirklich alle über ihren Hunger hinausgegessen haben. Zur Verdauung wurde natürlich zum klassischen „Verdauer“ gegriffen. Ein Brand aus Birne sorgte dafür, dass der große Hunger zwar gestillt, der Magen aber nicht zu schwer belastet wurde. Es wurde viel gelacht, geplaudert und der Teamgeist gestärkt – ein perfekter Auftakt für das, was uns am Wochenende sportlich noch bevorstand.
Nach einem Abend, an dem es die einen pünktlicher, die anderen weniger pünktlich ins Bett schafften, folgte mit einer guten Mütze Schlaf der Samstag. Spieltag! Und das endlich wieder auf heimischem Boden. Willkommen in der Untersee-Sporthalle – jener berüchtigten Kathedrale des Krachs, wo die Wände aus purer Leidenschaft gebaut zu sein scheinen und die Akustik einem Rockkonzert Konkurrenz macht. Die Tribüne ragt steil wie der Alpengipfel auf, und jeder Schritt hallt, als hätte ein Titan den Boden betreten. Die Luft ist geschwängert mit einer Mischung aus Harz, Adrenalin und dem unverwechselbaren Aroma von frisch geöffneten Sporttaschen. Die heimische Fankurve? Ein Hexenkessel, in dem selbst die besonnenste Seele zum Fanatiker mutiert. Wenn die Trommeln schlagen und die Anfeuerungsrufe losbrechen, fühlt es sich an, als würde das Dach abheben.
Nicht nur Trainer Felix Radon, sondern das gesamte Team unter seinen Fittichen fieberte dem Spiel entgegen. Endlich wieder Heimspiel! Nach vier Auswärtspartien und einer Abwesenheit der Herren 1 von exakt 63.270 Minuten in Radolfzell durften wir wieder als Gastgeber auftreten. Verletzungs- und krankheitsbedingt mussten wir zwar weiterhin auf Martin Denecke, Niklas Burger und Tilmann „Tille“ Schön verzichten, doch dank der Rückkehr von Lars Krampen konnte Coach Radon auf eine volle Bank zurückgreifen. Das Aufwärmen mit anschließender Mobilisation verlief wie gewohnt professionell und mit dem nötigen Ehrgeiz. Um 18:03 Uhr bat das Schiedsrichtergespann Kusche/Mundhaas – leicht verspätet – zum Anpfiff.
Kaum hatte das Spiel begonnen, gehörte die erste Aktion des Spiels den Gästen. Fabio Rudhart brachte den TVÜ bereits nach 38 Sekunden mit 0:1 in Führung. Doch die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Die Gebrüder Osann und Sebastian Hecht drehten den Spielstand innerhalb von nur vier Minuten auf 3:1 – da war sie! Die erste Führung der Radolfzeller jungen Wilden! Von dort an entwickelte sich ein ausgeglichenes Spiel, das von guten Einzelaktionen in der Offensive sowie starken Paraden der Torhüter auf beiden Seiten geprägt war. Immer wieder gelang es uns, mit einem 3-Tore-Lauf etwas Abstand zu gewinnen, nur um diesen kurz darauf durch eine Serie der Überlinger wieder zu verlieren. Besonders erfreulich war, dass sich immer mehr Namen auf unserer Torschützenliste verewigten – ein Zeichen für die Breite und Ausgeglichenheit des Kaders. Defensiv zeigte sich jedoch erneut eine gewisse Unschärfe, die es den Überlingern erleichterte, den Anschluss zu halten. Das Potenzial, die Führung weiter auszubauen, war da – doch fehlende Konsequenz in der Abwehr verhinderte ein größeres Polster. Nach 25 Minuten war es soweit: Der Überlinger Trainer Patrick Deck hatte genug gesehen und griff bei einem Spielstand von 14:11 zum grünen Karton. Trainer Radon, der sichtlich genervt war, forderte uns mit Nachdruck auf, endlich „noch einen draufzulegen und mit einem vier Tore Vorsprung in die Kabine zu gehen!“ Die Sirene ertönte, Timeout vorbei. Ein letzter Schluck aus der Flasche, kühlendes Mineralwasser, und weiter ging es! Doch wie ging es weiter? Konnten wir die Forderung des Coaches erfüllen? Naja, fünf Minuten später war es schon wieder vorbei – Halbzeit. Spielstand 16:15.
Genervt von der eigenen Leistung war wohl jeder auf dem Feld. Auswärts mag es ja noch halbwegs akzeptabel sein, schlecht zu spielen, aber vor den eigenen Fans in der heimischen Halle? Das geht einfach nicht! Die Halbzeitansprache war entsprechend direkt – es ging weniger um Taktik als vielmehr um Willen. „Holt euch die Leistung zurück, die in euch steckt! Kämpft. Spielt Handball. Spielt als Team, und präsentiert den Fans, den Familien, den Freunden, aber auch allen anderen Supportern vernünftigen Handball!“ Doch dann kam der Donnerschlag, die Worte, die keiner hören will. Der KO-Schlag eines jeden Handballers oder, wenn man so will, die kalte Dusche – „Wenn das so weitergeht, ist unsere Abmachung Geschichte!“
Worauf ich anspielte? Natürlich auf die goldene Regel der Mannschaft: Wir dürfen in den Trainings zum Aufwärmen kicken, solange wir am Wochenende gewonnen haben. Eine unvorstellbare Vorstellung, Linienläufe zum Aufwärmen statt der ersehnten Partie Fußball – da bleibt einem fast die Luft weg! Aber in all der Dramatik und dem Humor war uns eines klar: Etwas musste sich ändern!
Nach einer guten ersten Halbzeit hatte ich mir eine Pause verdient und Paul Denecke übernahm meinen Posten im Tor. Kurz wurde das Wurfbild analysiert – quasi der klassische Torhüter-Halbzeit-Talk – und Paul war bestens gerüstet für das, was da kommen würde. Ansonsten starteten wir, wie zu Beginn des Spiels. Auch zu Beginn des zweiten Durchgangs war das Spiel weiterhin ein echter Krimi – auf ein Tor der Radolfzeller folgte prompt eines der Überlinger. Doch dann, in Minute 35, die erste Hiobsbotschaft für die Gäste: Sascha Deißler fasst dem flink wirbelnden Fynn unglücklich an den Hals und wird für dieses Foul folgerichtig disqualifiziert. Eine bittere Pille für die bereits stark dezimierten Überlinger, deren Kader nun noch weiter schrumpfte. Statt einem weiteren Feldspieler saß nun nur noch Ersatzkeeper Leo Auer auf der Bank. Logisch, dass wir nun mit viel Tempo spielen sollten, um den Gegner richtig auszuzehren – aber irgendwie gelang uns das nicht so richtig. Die Gäste ließen sich nicht abschütteln und blieben hartnäckig dran.
Doch sichtlich stolz darf ich an dieser Stelle verkünden: Mein jüngerer Torhüterkollege, der mich zur 2. Halbzeit beerbte, zeigte, was in ihm steckt. Rückraumwürfe, Kreisanspiele, Tempogegenstöße und 7-Meter – alles meisterte er mit Bravour. Paul Denecke, gebürtiger Radolfzeller und Meister der Nervenstärke, ließ die Überlinger zunehmend verzweifeln. Mit seinen Paraden brachte er nicht nur die Gegner, sondern auch die heimischen Fans in Ekstase. Dank diesem starken Rückhalt gelang es uns schließlich, nach 42 gespielten Minuten, erstmals mit fünf Toren abzusetzen – 24:19, abgerundet durch einen Treffer von Fynn Osann.
Doch die Dramatik war noch nicht vorbei. Nur vier Sekunden später kam es zur nächsten Schlüsselszene: Der Überlinger Jan Wislicenus kam in der Abwehr einen Schritt zu spät und kassierte seine dritte 2-Minuten-Strafe. Erfahrene Handballer wissen, was das bedeutet – Rote Karte! Ein herber Rückschlag für die Gäste, deren Personaldecke ohnehin schon dünn war.
Jetzt hätte das Spiel eigentlich in unsere Richtung kippen müssen. Ein Ersatztorwart, der als Feldspieler ranmuss, und eine Mannschaft, die auf dem Zahnfleisch geht – bessere Voraussetzungen gibt es kaum. Doch genau hier blieb der große Knall aus. Statt die Gunst der Stunde zu nutzen und Überlingen endgültig zu brechen, plätscherte das Spiel eher vor sich hin. Keine spektakulären Aktionen mehr, kein furioser Lauf – einfach Handball im Verwaltungsmodus. Der Vorsprung blieb jedoch bestehen, und spätestens nach der zweiten Roten Karte war klar, dass hier nichts mehr anbrennen würde. Die Gäste waren sichtlich geschlagen, während wir das Spiel kontrollierten. Es passierte nicht mehr viel. In der 59. Minute setzte Yannik Franz mit seinem Treffer zum 32:26 den Schlusspunkt. Endstand. Spiel gewonnen. Zwei Punkte auf unserem Konto. Kein Glanzstück, aber ein solider Heimsieg.
Mit diesem Sieg bleiben wir auch nach neun Spielen ungeschlagen. Ein großes Dankeschön geht an unsere Fans, die uns lautstark in der Halle unterstützt haben, sowie an unsere Gäste aus Überlingen für ein faires und spannendes Spiel. Das Rückspiel ist schon in Sicht – und wir freuen uns darauf!
Doch der Abend war damit längst nicht vorbei. Nach einer schnellen Dusche schlüpften wir in Hemd und Fliege und machten uns auf den Weg nach Markelfingen zur Weihnachtsfeier des HSC. Auch in der “3. Halbzeit” zeigte die Mannschaft Höchstform. Gemeinsam mit Fynn und Ole Osann, Mika Rau und Moritz „Knoppi“ Knura hielten wir bis in die frühen Morgenstunden durch – genau genommen bis um 5, als die Türen der Halle endgültig hinter uns geschlossen wurden. An dieser Stelle möchten wir uns, im Namen des gesamten Vereins, herzlichst bei den Damen 1 für die großartige Organisation der Feier bedanken. Es war ein unvergesslicher Abend, der dieses Wochenende perfekt abgerundet hat. Ein Wochenende voller Teamgeist, Freude und einzigartiger Momente geht zu Ende – und mit ihm diese Geschichte.

Von Louis Ruf und Melanie „Melli“ Bschorr