Da ihr mittlerweile sowas von im Bilde seid, braucht es an dieser Stelle nur noch eine kurze aber umso bedeutendere Rückschau auf das, was uns bis hierhergebracht hat. Diese Saison war mehr als nur eine Aneinanderreihung von Spielen – sie war ein gemeinsamer Weg, ein Wachsen, ein Zusammenfinden. Von Woche zu Woche wurden wir nicht einfach besser – wir wurden eins. Eine Einheit, die sich blind versteht, die füreinander kämpft und nie aufgibt. Wer den Unterschied machte? Schwer zu sagen. Mal war es Fynn, der mit seinen Treffern ganze Spiele entschied. Dann wieder Martin, der über das Spielfeld wirbelte, als sei er in einem anderen Tempo unterwegs. Unsere Kreisläufer – Mathis, Moritz und Florian – waren vorne wie hinten eine Urgewalt: unermüdlich, unbeirrbar, unüberwindbar. Und im Herzen der Defensive: Lars Krampen – unser Fels im Mittelblock. Kein Durchkommen, kein Zentimeter Raum, den er nicht verteidigt hätte. Er blockt Würfe weg, als gäbe es nichts Selbstverständlicheres und ist damit das Fundament einer Abwehr, auf die man stolz sein kann. Im Tor gaben Paul und ich alles, um der Mannschaft den Rücken freizuhalten – manchmal laut, manchmal leise, aber immer da, wenn’s drauf ankam. Sebastian? Der hat nach kleinen Startschwierigkeiten nicht nur zu seinem Spiel gefunden – er ist heute eines dieser Teile im Puzzle, das man sich gar nicht mehr wegdenken kann. Und dann die Außen: Nico und Yannik auf links, Mika und Benni auf rechts – schnell, präzise, kompromisslos. Ole und Linus führten Regie im Rückraum, zogen die Fäden, hielten den Laden zusammen, wenn’s wackelte. Und an der Seitenlinie: Felix Radon und Marc Beccara – unsere Masterminds, unsere Taktikfüchse. Und nicht zu vergessen: unser Präsident, Torwarttrainer und Hallensprecher in Personalunion – Mariano „Kiko“ Hernando Rioja. Der Mann ist nicht nur die Stimme der Halle, sondern auch unser Herzschlag von außen.
Und dann kam dieser Abend. Der Abend, an dem alles zusammenkommen sollte. Unter der Woche trainierten wir wie die Wahnsinnigen – mit einer Trainingsbeteiligung, die locker die Hallenkapazität sprengte. Dienstag und Donnerstag versammelten sich jeweils über 20 handballverrückte Prachtexemplare, um den Ball durch die Halle zu werfen. Jeder war heiß, jeder wollte sich empfehlen. Die wohl schwierigste Aufgabe hatte da unser Coach, der aus dieser Fülle an Einsatz und Leidenschaft einen Kader benennen musste – was er dann auch, selbstverständlich fristgerecht, tat.
Samstag, 18:30 Uhr. Der Moment war gekommen. Die letzten Handgriffe an der Hallentechnik waren getan, das Banner hing, die Bänke standen, der Spielberichtsbogen war ausgefüllt. Wir versammelten uns vor der Halle. Treffpunkt. Stille. Spannung. Zeit, den Kopf freizubekommen. Die traditionelle Ehrenrunde um die Halle durfte natürlich nicht fehlen – doch an diesem Tag fiel sie überraschend lang aus. Selbst wir alteingesessenen Radolfzeller blickten uns irgendwann fragend an, als wir durch Winkel unserer schönen Heimatstadt liefen, die wir vorher noch nie gesehen hatten. Eine unfreiwillige Entdeckungstour, mitten im Tunnel – aber irgendwie genau das Richtige, um runterzukommen, durchzuatmen.
Irgendwie konnten wir diese Anspannung trotzdem nicht völlig abschütteln. Wir zogen uns um, machten uns bereit. Kurze Erwärmung, knackige Mobilisation – die Routine vor dem großen Moment. Und dann ging’s wieder zurück in die Katakomben. Finale Besprechung. Noch einmal durchatmen, fokussieren. Druck aufbauen. Der letzte Feinschliff. Coach Radon? Gewohnt ruhig. Gewohnt klar. Gewohnt souverän. Und natürlich – wie könnte es anders sein – die Erinnerung daran, was heute auf dem Spiel stand. Was wir heute erreichen konnten.
Doch im Grunde war alles wie immer. Keine Show, kein Spektakel – pure Motivation. Wir stehen nicht ohne Grund so kurz vor dem Meistertitel. Die Vorgabe war klar: Unsere Stärken ausspielen, von Beginn an präsent sein – und hinten stehen wie eine Wand.
Und dann war die Zeit gekommen. Alles war angerichtet. Die Halle wartete auf uns. Schon vor der Besprechung hatten wir einen Blick auf die Tribüne geworfen – voll. Einfach voll. Kein freier Platz. Die Stimmung brodelte. Wir stellten uns auf, bereit zum Einlaufen. Puls bei 180, Herz im Anschlag. Und dann – plötzlich – ein lauter Knall von draußen. Verwirrung. Stille. Fragende Blicke durch die abgedunkelte Halle. Und dann … ein Lächeln in jedem Gesicht. Draußen vor der Halle zündeten sie – unsere Fans, die HSC-Ultras – ein Pyro-Feuerwerk, das seinesgleichen suchte. Eine lodernde, flackernde Wand aus rotem Licht. Rauch. Fackeln. Feuer. Die Halle wurde zur Hölle – im besten Sinne und mit Sicherheit eine Erinnerung für die Ewigkeit. Wir wussten: Jetzt ist es soweit. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Nur noch nach vorne.
Mit dem Schiedsrichtergespann Hermanutz/Rutz betraten auch unsere Gäste aus Pfullendorf das Spielfeld. Die Halle stand, die Stimmung war aufgeladen, das Spiel bereit. Dann ertönte um 20:00 Uhr das schrille Pfeifen – Anpfiff! Und an dieser Stelle muss ich euch leider mitteilen, dass an diesem Abend eine kleine Tradition ihr Ende fand. In der Regel war es Martin Denecke, der uns mit stoischer Zuverlässigkeit, Spiel für Spiel als Erster auf die Anzeigetafel brachte. Doch diesmal nicht. Yannik Franz war es, der den Bann durchbrach. Nach exakt 60 Sekunden zimmerte er den Ball von außen ins Netz – das erste Tor, der erste laute Jubel. Und wir blieben dran. Fynn Osann erhöhte, Martin Denecke tat, was Martin Denecke eben tut und wir stellten früh die Weichen. Die Zügel lagen fest in unserer Hand.
Aus einer aggressiven und kompromisslosen Abwehr heraus zwangen wir die Gäste zu Fehlern – überhastete Abschlüsse, riskante Pässe, verlorene Bälle. Und genau hier beginnt die Geschichte von Sebastian Hecht an diesem Abend. Denn alles, was hinten herausfiel, landete bei ihm. Und was er daraus machte, war nichts Geringeres als eine Demonstration. Er war nicht einfach da – er explodierte. Kaum am Ball, zündete er den Turbo. Kein Gegner kam mit. Kein Versuch eines Rückzugs griff. Sebastian rannte nicht los – er entglitt. Mit einem Antritt, der jeder gegnerischen Hoffnung auf Ordnung den Stecker zog. Und dann? Kein Chaos, kein Übermut. Sondern Klarheit. Präzision. Übersicht. Seine Tempogegenstöße waren keine Einzelaktionen – sie waren der Anfang vom Ende für jeden Pfullendorfer Ballverlust. Ob Abschluss oder perfekt getimter Pass – jeder Lauf von ihm war eine Ansage. Und was da hintenraus an Tempo, Wucht und Kontrolle über das Feld fegte, war mehr als nur ein Spielzug. Es war eine Welle. Sebastian war nicht einfach Teil des Spiels – an diesem Abend war er der Takt, der Rhythmus, der Sturm.
In nicht mal neun Minuten ließ Sebastian Hecht es gleich viermal im gegnerischen Netz klingeln – als hätte er sich vorgenommen, das Spiel im Alleingang zu entscheiden. Unaufhaltsam, eiskalt, voll im Flow.
Parallel dazu trat Ole Osann an die Linie – gewohnt souverän, ohne mit der Wimper zu zucken. Zweimal, zweimal drin. Während wir vorne ein Feuerwerk zündeten, fanden die Gäste nach und nach erste Lücken – in persona von Hoan Luu, der die ersten Treffer für Pfullendorf erzielte. Doch auf der Anzeigetafel leuchtete nach nur 13 gespielten Minuten bereits ein 9:4. Ein Statement. Ein Start, wie er nicht besser hätte sein können. Was darauf folgte? Ich will diese Geschichte nicht abrupt beenden – aber ehrlich gesagt: Es passierte gar nicht mehr so viel Neues. In der ersten Halbzeit waren es vor allem zwei Konstanten, die das Spiel prägten: Sebastian Hecht, der weiter mit raubtierhafter Präzision seine Tempoläufe nutzte, als gäbe es keine Abwehr auf dieser Welt, die ihn stoppen könnte – und Ole Osann, der vom Strich einmal mehr bewies, dass Kälte und Nervenstärke nicht viel mit der Außentemperatur zu tun haben.
Die Gäste aus Pfullendorf? Sie gaben sich nicht auf. Im Gegenteil: Mit zunehmender Spieldauer fanden sie besser ins Spiel, hielten dagegen, suchten und fanden immer häufiger Lücken in unserer Defensive.
Yannik Franz verewigte sich währenddessen noch dreifach auf dem Spielberichtsbogen – schnörkellos, zuverlässig, effizient. Einmal durfte auch Fynn Osann nochmal ran und vollendete seinen Treffer vor der Pause. Dann war Schluss mit Hälfte eins. Ein erstes Ausrufezeichen war gesetzt. Aber das Buch noch nicht zu Ende geschrieben. 22:12! Die Weichen standen schon zur Halbzeit klar auf Sieg.
Coach Radon schien zufrieden, fand in seiner Halbzeitansprache aber trotzdem noch Verbesserungspotenzial. Im Angriff etwas mehr Biss, in der Abwehr noch konsequentes Raustreten. Aber vor allem, Spaß haben. Diesen Moment aufsaugen, vor voller Halle. Ein Spiel für die Ewigkeit. 400 Fans. Freunde, Familie – Heimat!
Dann ging es auch schon weiter. Die Ultras auf der Tribüne waren bereit – und wir erst recht. Eine kleine Tradition blieb jedoch bestehen: Ich durfte erstmal wieder auf der Bank Platz nehmen. Kein rabenschwarzes Spiel aber eben auch kein glänzendes. Zu oft geschlagen, zu wenig Zugriff. Paul übernahm für mich – stark, souverän, präsent. Ich machte es mir auf der Bank bequem, lehnte mich zurück und genoss, was sich da vor meinen Augen abspielte. Wiederanpfiff. Und was soll ich sagen? Wir machten einfach weiter. Keine wilden Experimente, kein nervöses Verwalten. Wir spielten unseren Handball: ruhig, strukturiert, mit breiter Brust. Ein letztes großes Aufbäumen der Gäste blieb aus, dafür stand unsere Defensive zu stabil, unser Rückzug zu diszipliniert, unser Selbstvertrauen zu groß. Und vorne? Da durften sich nochmal alle eintragen. Ole blieb vom Strich eiskalt und packte am Ende sagenhafte zehn Treffer auf sein Konto. Sebastian drehte weiter auf, als hätte er nie aufgehört zu laufen – neun Tore insgesamt und kein einziger davon war geschenkt. Dann war da auch noch Yannik Franz, der insgesamt acht mal traf. Das Spiel war längst entschieden. Der Gegner wusste es. Wir wussten es. Und trotzdem gaben wir weiter Gas – mit einem Lächeln im Gesicht und dem sicheren Gefühl, dass heute nichts mehr schiefgehen konnte. Kurz vor Schluss machte Linus das 40. Tor, Benedikt setzte mit dem 41. den Deckel drauf. Der Rest war Staunen. Applaus. Emotion.
Dann war es vollbracht. Um genau 21:22 Uhr und 36 Sekunden war er gekommen – dieser Moment. Abpfiff. 41:23. Uneinholbar. Meister. Pure Emotionen, völliger Ausnahmezustand, grenzenloser Jubel. Die Tribüne tobte, Menschen lagen sich in den Armen, Schreie hallten durch die Halle – doch ich? Ich war still. In mich gekehrt. Nicht nur jetzt, in diesem Moment des größten Erfolgs. Schon den ganzen Abend über spürte ich etwas, das größer war als Euphorie. Es war Dankbarkeit. Es war Stolz. Es war dieses seltsame, leise Gefühl, angekommen zu sein. Noch vor ein paar Jahren blickte ich ehrfürchtig hinauf zu den großen Männern der Herren I, bewunderte jeden Wurf, jede Parade, jeden Erfolg. Und jetzt? Jetzt bin ich selbst Teil davon. Teil dieser tollen Mannschaft. Teil dieser Meisterschaft. Teil eines möglichen Aufstiegs.
Teil einer Geschichte, die an diesem Abend geschrieben wurde und an die wir uns noch in Jahren erinnern werden.
Eigentlich wäre das ein passendes Ende dieser Geschichte – unserer Geschichte zur Meisterschaft. Aber eines darf hier auf keinen Fall unerwähnt bleiben: Ihr. Ohne euch wäre all das nur halb so schön gewesen. Diese vollen Ränge, eure Gesänge, jeder Jubelschrei, jedes Trommeln auf den Tribünen und jeder einzelne Moment, in dem ihr mit uns gezittert, gehofft und gefeiert habt – all das hat diesen Abend zu etwas Unvergesslichem gemacht. Noch jetzt, während ich diese Zeilen schreibe, bekomme ich Gänsehaut, wenn ich eure Gesichter vor Augen habe, eure Leidenschaft spüre, euren Stolz und eure bedingungslose Unterstützung. Ihr wart nicht nur dabei, ihr habt uns getragen. Ein besonderer Dank geht außerdem an unseren Verein – an alle Helfer, Unterstützer und Verantwortlichen, die diesen Moment möglich gemacht haben. Für die großartige Feier nach dem Spiel, für den emotionalen Rahmen und natürlich für diesen einen Moment, den wir alle so schnell nicht vergessen werden: Die Übergabe der Meisterschale. Ihr alle – Fans, Verein, Mannschaft – ihr habt diesen Abend zu etwas gemacht, das weit über ein einfaches Handballspiel hinausgeht. Ihr seid Teil dieser Geschichte.
Von Herzen: Danke!
Louis Ruf